Im Mai 2005 ging die US-Mutter des Online-Portals The Huffington Post ans Netz. Ein wenig erinnert das Magazin an Google News für BILD-Zeitungsleser. So werden gerne strittige Themen angeschnitten, um dann nach wenigen Zeilen auf die Originalquelle zu verlinken. Das Konzept ist einfach. Die Blogger arbeiten für das Online-Portal für lau und hoffen, dass sie über die vielen Leser neue Arbeitgeber finden. In New York sichten und prüfen das Material der Hobby-Autoren rund 300 Redakteure. Die AOL-Tochter heimste letztes Jahr sogar als erstes Online-Medium den beliebten Pulitzer-Preis ein.
Chefredakteur Sebastian Matthes und sein rund 15-köpfiges Team sind allesamt studierte Journalisten. Matthes war früher Ressortchef bei der Wirtschaftswoche. Die Redakteure werden schon nächsten Monat die Beiträge von 50 Bloggern bearbeiten und selbst ein wenig Content erstellen. Betrieben wird die deutsche Tochter von der Tomorrow Focus AG, Eigentümer ist der Verlag Hubert Burda Media. Im Gegensatz zum Vorbild sollen die mobilen Leser nicht vergessen werden. Tochtergesellschaften der Tomorrow Focus AG sind hierzulande sowohl im Bereich Online-Marketing als auch bei der Erstellung von Webauftritten für mobile Plattformen ganz vorne dabei. Von daher dürfte es diesbezüglich an nichts mangeln.
Kann die Huffington Post aus 50 Bloggern Fachjournalisten machen?
Es wird spannend. Die alles entscheidende Frage wird nämlich sein, wie beziehungsweise ob man aus so vielen Hobby-Autoren in ein paar Monaten ausgebildete Journalisten machen kann. Ich habe 2008 selbst eine Handvoll Blogger über mehrere Jahre betreut. Ich weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, wie arbeitsaufwändig sich dies gestaltet. Ein Blogbeitrag ist eben nicht das gleiche wie eine Nachricht. Bei einen abfälligen Text auf einem Blog mit täglich 50 Lesern muss man keine Angst vor Abmahnungen haben, bei einem Portal wie der deutschen HuPo oder meinem früheren Arbeitgeber hingegen sehr wohl.
Fest steht: Herr Matthes und seine Mitstreiter werden sehr gut zu tun haben. Mitmachportal ohne journalistische Frontbeschallung hin oder her – die geplanten 10 bis 15 Millionen Umsatz wird man nur erreichen, weil sich so viele Personen für lau beteiligen. Ich habe mir an Tutorials die Finger wund geschrieben und konnte mir überhaupt nicht vorstellen, wie viele Dinge Neueinsteigern unklar sein könnten. In der Folge durfte ich die gleichen Dinge immer wieder erzählen. Wieder und wieder.
Dabei gab es bei gulli.com zu den besten Zeiten nur 9 und keine 50 Freiberufler, die früher gebloggt haben. Vergleichbare Erfahrungen dürften ab dem 10. Oktober auch die Kollegen in München machen. Auch muss sich noch zeigen, ob die Deutschen ein zweites Google News mit Schwerpunkt auf Boulevardthemen haben wollen. Wie gesagt, die meisten Artikel sollen die Themen nur anreißen. 9 Millionen unterschiedliche Besucher sollen es künftig jeden Monat sein, die man auf huffingtonpost.de locken will. In wenigen Jahren möchte man sich bezogen auf die Zugriffszahlen mit den Kollegen vom Focus Online auf Augenhöhe bewegen, die ihre Arbeit nur eine Tür weiter verrichten.
Mitarbeiter müssen kostenlos arbeiten – das neue Geschäftsmodell im Online-Sektor?
Da noch immer niemand weiß, wie man mit Internet-Portalen gutes Geld verdient, stellt sich die Frage, ob das nun die finale Lösung darstellt. Kann man so Qualitätsjournalismus anbieten? Wollen die Leute das lesen? Mindestens 90% der Beiträge kommen für lau rein, nur ein Bruchteil der Artikel wird von Journalisten, Publizisten oder Germanisten erstellt. In den USA funktioniert die Huffington Post prima. Laut Alexa ist die HuPo global auf Platz 83, in den USA befindet sie sich sogar auf Rang 21. Auch wird die deutsche Seite mit Sicherheit schneller geladen. Die Mutterseite ist eines der langsamsten in den USA, 91% der US-Portale werden schneller dargestellt.
Letzte Woche ging ein Aufschrei durch Facebook, weil jemand von Geschäftsführung versuchte, neue kostenlose Mitarbeiter per E-Mail anzuheuern. Wird es genug Personen geben, die dort für umsonst arbeiten werden? Ja, definitiv! Die Bewerber werden der Redaktion die Türen einrennen! In Anbetracht der angespannten Marktsituation für Online-Journalisten stellen so viele Leser und die damit verbundene Aufmerksamkeit so etwas wie einen hoffnungsvollen Strohhalm dar, an den man sich klammern kann. Davon leben kann man leider nicht, das ist schon klar. Viel schlechter als die ewigen Stellen für Praktikanten, die ohne Chance auf eine Übernahme immer wieder verlängert werden, stellt sich das System letztlich auch nicht dar. Ob es den Bloggern oder auftragslosen Online-Journalisten etwas bringen wird, wird sich zeigen. Das lässt sich nur schwerlich einschätzen.
Mehr Infos zum Thema sind bei den Netzpiloten verfügbar. Ich habe den dortigen Artikel absichtlich sachlich formuliert. Die Abrechnung mit der Kostenloskultur der Betreiber veröffentlicht dort morgen jemand anderes.