Die Schweizer Cyando AG kündigte kürzlich den Rechteinhabern an, man führe Ende dieses Monats ein neues Anti-Piracy-Verfahren ein. Höchst wahrscheinlich ist das neue Webformular und das Advanced Takedown Tool (ATT) eine Reaktion auf die BGH-Entscheidung, die RapidShare und anderen Anbietern proaktive Maßnahmen vorschreibt, sollte ihnen eine Urheberrechtsverletzung angezeigt werden.
Der Bundesgerichtshof entschied im Verfahren des Filehosters RapidShare gegen die GEMA und mehrere Verlage, dass Sharehoster umfangreichen Prüfpflichten nachkommen müssen. Wenn einem Anbieter wie Netload, RapidShare, Uploaded.net etc. eine Urheberrechtsverletzung angezeigt wird, muss er mehr tun, als nur die betroffene Datei zu löschen. Genau darauf zielt die US-amerikanische Rechtsprechung mit dem DMCA (Digital Millenium Copyright Act) ab.
Mit eigenen Crawlen oder anderen Maßnahmen muss dafür gesorgt werden, dass dieses Werk (Film, Software, E-Book, Musikdatei etc.) auf den eigenen Servern nicht mehr angeboten werden kann. Einem kleinem Filehoster mit wenigen Arbeitnehmern kann man schlecht abverlangen, dass deren Mitarbeiter illegale Blogs, Foren oder Börsen auf Links untersuchen, um die entsprechenden Dateien (auch ohne vorherige Mitteilung) bei sich zu löschen. Die Schweizer Cyando AG ist aber einer der Marktführer der deutschsprachigen Webwarez-Szene. In dem Fall wird der Gesetzgeber sehr viel mehr verlangen. Gegen die Cyando AG spricht auch, dass man dem Unternehmen im Gegensatz zu Offshore-Firmen Abmahnungen, Einstweilige Verfügungen und Klagen zustellen kann.
Uploaded.net kündigt nun die Einführung einer neuen Software mit dem Namen Advanced Takedown Tool (ATT) an. Gemeldete Uploads werden künftig innerhalb von nur drei Stunden gelöscht. Alle Archive mit der gleichen Prüfsumme werden in der Zwischenzeit automatisch blockiert. Das entsprechende Webformular wird ab Ende November unter uploaded.net/takedown/notice verfügbar sein. Der Versand der Takedown-Benachrichtigungen per E-Mail ist dann nicht mehr möglich.
Die Vorteile des neuen Notice- und Takedown-Systems:
- das neue Webformular soll fehlerhafte Meldungen vermeiden
- schnellere Abwicklung
- verbesserte Dokumentation und Logging
- nachfolgende Urheberrechtsverletzungen sollen damit effektiver vermieden werden
Das Advanced Takedown Tool (ATT) soll im Gegensatz zum Webformular nur ausgewählten Partnern zur Verfügung stehen. Wer als Rechteinhaber dazugehören möchte, soll sich mit der Betreibergesellschaft von uploaded.net in Verbindung setzen.
Neues Verfahren bei deutschen Firmen nutzlos
Unter dem Strich wird auch das neue Verfahren nicht dazu führen, dass man dem BGH-Urteil nachkommen wird. Im Urteil geht es weit mehr als nur um die Entfernung der Dateien. Dem Betreiber wird vielmehr auferlegt, er müsse nach Erhalt der entsprechenden Mitteilung auch danach effektiv verhindern, dass einer der Nutzer das gleiche Werk illegal zur Verfügung stellen kann. Nachdem RapidShare im Mai 2013 viele Mitarbeiter entlassen musste und sich der deutsche Mitbewerber Netload in Liquidation befindet, wird die Luft für Anbieter innerhalb Europas immer dünner. Auch uploaded.net wird sich mittelfristig überlegen müssen, ob sie ihren Sitz nicht ins Ausland verlegen, um sich der aktuellen deutschen Rechtsprechung zu entziehen. Höchst wahrscheinlich werden auf die Cyando Aktiengesellschaft schon bald weitere kostenpflichtige Verfahren zukommen. Derartige Kosten wird das Unternehmen nicht freiwillig riskieren.
Das ATT wird zwar ausgewählten Rechteinhabern den direkten Zugriff auf die eigenen Server ermöglichen. Aber auch das steht nicht im Einklang mit dem BGH-Urteil. Laut Urteil sollen die Hoster eigenhändig und ohne weitere Aufforderung dafür sorgen, dass ein Re-Upload vermieden wird. Von daher ist sowohl das neue Webformular als auch das ATT bei deutschen Unternehmen nutzlos.