Die Tech Open Air bezeichnet sich selbst als ein interdisziplinäres Festival mit dem Fokus auf Technologie. Tatsächlich war die #toa14 nicht nur interdisziplinär. Es war auch sehr multikulturell, überaus bunt gemischt und sehr spannend dort.
Der Veranstaltungsort hat die rund 1.300 Besucher gleich zur Begrüßung entsprechend eingestimmt. Von Grünflächen und Bäumen umsäumt steht dort ein mehrstöckiges Fabrikgebäude aus dem späten 19. Jahrhundert, bei dem lediglich der Anstrich entfernt wurde. Aufgrund der unbehandelten Böden, Decken und Wände wirkte alles sehr spontan und provisorisch. Die meisten Besucher dürfte es nicht gestört haben, zumal der Altersdurchschnitt bei etwa 25 gelegen hat. Wer auf diese Veranstaltung ging, war offen für Neues. Solange das Gebäude seine Funktion erfüllt hat, dürfte es den meisten Besuchern egal gewesen sein, wie es in der Alten Teppichfabrik aussah. Für die angereisten Künstler und Hardwarebastler war die Umgebung geradezu ideal. Sie konnten sich ungestört ausbreiten ohne befürchten zu müssen, bei ihrer Arbeit etwas kaputt zu machen.
Bunt gemischt war das Publikum aber noch aus einem anderen Grund. Es waren Menschen aus aller Herren Länder anwesend. Beim Speakers Dinner lernte ich drei Musiker kennen, die extra aus Panama angereist waren. Vor unserem Panel „The Rise of the Robot Journalist“ sprach ich mit einer Journalistin aus Argentinien, die mir ihr Leid klagte. Ihr Land hätte einen positiven Impuls bei der anhaltenden Wirtschaftskrise sehr gut gebrauchen können. Sie war überaus traurig, dass ihre Mannschaft bei der Fußball-WM verloren hat. Spannend auch die Gespräche mit einem US-amerikanischen Geschäftsmann, der ein eigenes Startup-Zentrum mit dem Schwerpunkt Hardware betreut. Anwesend waren auch viele Geschäftsleute mit Schlips und Kragen, die sich an den Hackern, Musikern und Künstlern nicht gestört haben. Anders herum gab es übrigens auch keine Ressentiments. Alt und jung, reich und arm, konventionell oder flippig; sie alle waren da und offenbar hat niemand Anstoß daran genommen.
Das Team der Organisatoren war genauso multikulturell wie die Besucher. 20 Personen von überall arbeiteten projektbezogen an der Durchführung der Veranstaltung. Sie alle wussten, dass nach Ende des Festivals alles vorbei ist und sie sich einen neuen Auftrag- bzw. Arbeitgeber suchen müssen. Kritik gab es wegen der beiden Silent Stages auf der zweiten Etage. Es war ein merkwürdiges Gefühl, mit Kopfhörer und Mikro auf der Bühne zu stehen. Den richtigen Kanal mussten sich die Zuhörer mit einem Rad am Kopfhörer suchen. Manche Besucher beklagten zudem den mangelnden Empfang der Geräte, was zu heftigem Rauschen führte. Ansonsten ist unsere Diskussionsveranstaltung über Roboterjournalismus wirklich sehr gut gelaufen. Dennis Walton (ehemals Zalando) fungiert als Berater der Kommunikationsagentur aexea, Lorenz Matzat hat sich spätestens mit seinem Vortrag auf der Re:publica 2014 einen Namen als anerkannter Datenjournalist gemacht. Von daher konnte inhaltlich nichts schiefgehen. Blöd war nur, dass die meisten Speaker in der Beitragsübersicht gar keine oder nur eine sehr kurze Beschreibung ihrer Veranstaltung angegeben haben. Unter vielen Vorträgen konnte ich mir schlichtweg nichts vorstellen, weil auch die Titel wenig aussagekräftig waren.
Nach Berlin sind viele enthusiastische Menschen gefahren, die ganz offensichtlich mit ihrem Projekt viele Hoffnungen verbinden. Diese Begeisterung konnte man in den Augen fast aller Teilnehmer sehen. Einige Startups werden sicher nach einer gewissen Zeit entdecken, dass ihr Geschäftsmodell doch nicht so überzeugend war. Wer auf der #toa14 keine Geschäfte abschließen oder den nächsten Arbeitgeber finden konnte, hatte auf jeden Fall viel Spaß mit diversen Live-Konzerten, künstlerischen Arrangements und einem wirklich guten Essen. Leider war ich schon wieder unterwegs, als Grammy-Gewinner Daddy Hemingway live spielte. Um die Alte Teppichfabrik herum hatten die Veranstalter viele Nischen geschaffen, wo man sich für Gespräche oder einfach zum Ausruhen zurückziehen konnte.
Am zweiten Tag der Tech Open Air wurden überall im Berliner Stadtgebiet Satelliten-Veranstaltungen durchgeführt. Per E-Mail wurde aber schon vorab gewarnt, eine Einladung sei meist wegen des beschränkten Platzangebotes vonnöten.
Tech Open Air – Fazit
Ob ich nächstes Jahr auch komme? Als internationale Kontaktbörse war das Festival sicher für viele Angereiste höchst wertvoll. Es gab mit Nagual Dance, Quadrocoptern und dem BigRep 3D Drucker auch viel Nerdkram zu sehen. Für mich als „nur“ techaffinen Journalisten gab es zwar viele interessante Angebote. Dafür regulär 225 Euro zu bezahlen, wäre mir die Sache aber nicht wert. Daran ändert auch nichts, dass diverse Magazine die #toa14 als die deutsche Antwort auf das SXSW und das beste jährlich stattfindende Startup Event Europas angekündigt haben.
Fotos: Lars Sobiraj. Weitere Bilder und Videos sind hier verfügbar und zum Beispiel bei der Gründerszene.
2 Gedanken zu „Tech Open Air 2014 – eine Rückschau“