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Wie können Unternehmen soziale Netzwerke nutzen?

Als ZDF-Moderator Cherno Jobatey 2010 in Essen einen Vortag über die Macht des Webs hielt, wurde er von diversen Vertretern des Mittelstandes kritisch beäugt. Mehrere Geschäftsführer wollten von ihm wissen, ob sich der ganze Aufwand überhaupt lohnt. Jobatey antwortete, er würde niemanden dazu zwingen, sich diesbezüglich zu engagieren. Wer die neue Technik ablehnt, könne gerne auf alle neuen Kunden und Aufträge verzichten. Doch noch wichtiger als die Neukundengewinnung ist beim Social Media die Imagepflege und die Bindung bestehender Kunden. In diesem Artikel wird ausführlich erklärt, wie Unternehmen mit dem Thema Social Media im Idealfall umgehen sollten.

Warum Social Media?

Früher war alles ganz einfach. Vor Erfindung des Rundfunks wurden alle Neuigkeiten am Lagerfeuer oder später im Tante-Emma-Laden ausgetauscht. In den 60er und 70er Jahren richtete sich unsere Aufmerksamkeit lediglich auf Litfaßsäulen, Plakatwände, die örtliche Tageszeitung, ein paar Zeitschriften und auf drei TV-Programme. Wer seine Werbebotschaften verbreiten wollte, musste dafür nur einen der vorhandenen Kanäle benutzen. Heute gibt es unzählige Fernsehsender, die ihr Programm via DVB-T, Kabel, Satellit oder Internet rund um die Uhr ausstrahlen. Dazu kommen zahllose Radiosender, Pay-TV-Kanäle, Internet-Portale, YouTube und last, but not least die Aufmerksamkeitsmagneten: Google Plus, Twitter, Facebook und WhatsApp. Wer dabei nicht untergehen will, muss sich breit aufstellen und sein Marketing crossmedial ausrichten. In Westeuropa prasseln laut TNS Infratest täglich rund 2.000 Markenbotschaften auf uns ein. Als Firma ist es schwer, dabei nicht im Grundrauschen unterzugehen. Doch die veränderte Medienlandschaft bringt auch Vorteile mit sich. Ein eigenes Profil muss zwar aufgebaut und kontinuierlich gepflegt werden. Dafür ist die Präsentation des Unternehmens bei allen sozialen Netzwerken kostenlos.

Ein Buch aber keins mit sieben Siegeln

Bevor Sie aktiv werden, sollten Sie sich noch einmal ein paar wichtige Dinge in Erinnerung rufen. Welchen Ruf hat Ihr Unternehmen, wie wird es von den Kunden gesehen? Wie ist der Umgangston? Diese Faktoren sollten direkten Einfluss auf die Gestaltung Ihrer Präsenz haben. Die Käufer von Skateboards oder Sportschuhen erwarten im Geschäft auch keinen Verkäufer, der sie im Sakko begrüßt. Von daher sollte Aussehen und Umgangston angemessen sein. Viele Unternehmen bevorzugen die sogenannte gespiegelte Ansprache. Werden Sie von den Nutzern geduzt, antworten sie entsprechend. Bevorzugen Ihre Kunden den förmlichen Weg, reagieren Sie in der gleichen Weise. Hinterlegen Sie auf jeden Fall auf der Hauptseite einen direkten Link zum eigenen Impressum. Anderenfalls könnten Sie von einem Anwalt Ihrer Mitbewerber abgemahnt werden. Beachten Sie unbedingt, dass das Urheberrecht auch im Social Web Gültigkeit besitzt. Wer Fotos oder Grafiken in Umlauf bringt, muss sicherstellen, dass er daran die Rechte besitzt oder diese gemeinfrei sind. Gute Quellen für frei verfügbare Bilder sind Pixabay, die erweiterte Suche bei Flickr oder bei Google. Stellen Sie die Nutzungsrechte so ein, das Ihnen nur die Bilder angezeigt werden, bei denen die Urheber auch mit einer kommerziellen Nutzung Dritter einverstanden sind.

Wichtig ist auch die Fragestellung, was Sie mit Ihren Aktivitäten erreichen wollen. Umso konkreter Sie Ihre Ziele festlegen, umso besser können Sie die Erreichung der Ziele überprüfen. Bedenken Sie dabei bitte, dass es lange Zeit braucht, bis sich Aktivitäten im Social Web bemerkbar machen. Geben Sie nicht auf, sollte sich der Erfolg nicht direkt einstellen. Sprechen Sie Ihre Kunden an um abzuklären, wie bekannt Ihr Engagement im Web ist.

Soziale Netzwerke: Fehler bleiben nicht folgenlos

Auf keinen Fall darf man seine Leser mit Nichtigkeiten nerven. Der Grundsatz bei allen Einträgen lautet: „Relevanz schlägt Penetranz“. Versetzen Sie sich dafür einfach in die Rolle der Leserinnen und Leser. Veröffentlichen Sie nur Dinge, für die Sie sich als Kunde interessieren würden. Veränderte Öffnungszeiten, Sonderaktionen, Preisnachlässe, Rabatte oder Gewinnspiele sind Dinge, über die man gerne informiert wird. Wer die Geduld seiner Leser zu sehr strapaziert, verliert sie früher oder später. Leider bleiben solche Fehler in vielen Fällen kommentar- aber nicht folgenlos. Der Grund für das mangelnde Feedback liegt beim Nutzungsverhalten, denn die meisten Surfer sind reine Konsumenten. Studien ergaben, dass von 100 Nutzern im Durchschnitt nur 9 Personen Kommentare abgegeben haben. Nur eine Person hat selbst ein Posting veröffentlicht. Die Interaktionsrate bei Facebook sank von ehemals 4,3% im Jahr 2010 auf magere 1,5% ein Jahr später. Das höchste der Gefühle ist es, wenn jemand Ihren Beitrag liked, das kostet ihn nur einen Mausklick. Wenn sich Ihre Leser still und heimlich verabschieden, nimmt Ihnen das die Chance, Ihre Fehler zu erkennen.

Ein paar Praxistipps

Der Neusser Physiotherapeut Daniel Schillings betreibt seit Ende 2011 die Facebook-Seite NEUSSERREHA. Er postet ausschließlich firmenbezogene Fakten oder redaktionelle Artikel, die im direkten Zusammenhang mit seiner Praxis stehen. Pro Woche veröffentlicht er entweder früh morgens oder Mittags seine Postings, damit sie auch gesehen werden. Pro Woche erscheinen maximal drei Beiträge, um seine Kunden nicht abzuschrecken. Bei der Benutzung von Facebook muss man sich disziplinieren. Die privaten Einträge der eigenen Bekannte und Freunde laden zum Verweilen ein. Wer keine Zeit verlieren will, hält sich lieber zurück, ansonsten gehen schnell mehrere ungenutzte Stunden ins Land.

Daniel Schillings achtet darauf, in regelmäßigen Abständen die Anmerkungen seiner Nutzer zu lesen. Social Media darf keine Einbahnstraße sein! Kommen Kommentare herein, sollte man darauf unbedingt reagieren. Schillings erzählt, gerade während der Bauzeit habe er in persönlichen Gesprächen immer wieder bemerkt, dass seine Kunden dank Facebook stets auf dem Laufenden waren. Das und die Tatsache, dass der Anteil an Online-Reservierungen für Terminvereinbarungen kontinuierlich angestiegen ist, motivierte ihn dazu, seine Strategie beizubehalten.

Soziale Netzwerke bestimmen ihre eigenen Regeln

Alle Betreiber einer Facebook-Seite sollte Ihnen klar sein, dass Marc Zuckerbergs Unternehmen nur rund 20 Prozent aller Pinnwandeinträge bei Ihren Fans anzeigt. Berechnungen gehen davon aus, dass man ansonsten täglich bis zu 1500 Pinnwandeinträge zu Gesicht bekommen würde. Wie Torwächter bestimmen mathematische Formeln, welche Beiträge verborgen werden. Wenn es dem Zuckerberg-Konzern mehr Gewinn verspricht, werden die Regeln kurzerhand geändert. Das sollte einerseits niemanden davon abhalten, dort aktiv zu werden. Allerdings sollte man das Hausrecht des Betreibers stets im Hinterkopf behalten. Die vollständige Kontrolle haben Sie lediglich über einen Firmenblog oder Ihre eigene Webseite.

Chayns: alle Informationen in der Hosentasche!

Wirklich innovativ ist Chayns von Tobit Software. Bei mehr als 100 „Gefällt-mir“-Angaben kann man sich kostenlos eine eigene App für jedes gebräuchliche mobile Betriebssystem erstellen lassen. Die App taucht nach einer kurzen Prüfung bei Google Play, dem App Store von Apple, Microsoft und BlackBerry auf. Termine, Bilder, Ankündigungen und jeder reguläre Eintrag der eigenen Facebook-Seite werden damit kostenlos auf Smartphones übertragen. Im Prinzip ist Chayns nichts weiter, als eine mobile Kopie Ihrer Facebook-Seite. Besonders wertvoll ist die Möglichkeit, den Kunden per Push-Nachricht Informationen zukommen zu lassen. Diese werden – ähnlich wie Kurznachrichten – nach dem Empfang auf dem Homescreen des Smartphones angezeigt.

Fazit

Ihr Einsatz bei Twitter, Google Plus oder Facebook wird sich bestimmt im Laufe der Zeit bezahlt machen, sofern Sie im Dialog bleiben und die Interessen Ihrer Leser nicht aus den Augen verlieren. Social Media ist kein Buch mit sieben Siegeln. Sie sollten aber wohl überlegt vorgehen. Zu den Standardwerken gehört das gut verständliche Buch “PR im Social Web“, das vom O’Reilly Verlag kürzlich zum dritten Mal aufgelegt wurde.

Dieser Artikel erschien zunächst im August 2014 in der Zeitschrift „Wirtschaft MITten aus Neuss“ der Mittelstandsvereinigung Neuss.

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