Einzelhändler

Wenn Einzelhändler ihre Sammelleidenschaft für Daten entdecken

USA: Einzelhändler beobachten zunehmend ihre Kunden mit RFID-Chips, intelligenten Kamerasystemen und den mitgebrachten Smartphones. Die modernen Kameras erkennen sogar die Stimmung, das Geschlecht und Alter der Konsumenten (siehe Bild oben).

Wer bei Amazon oder Zalando online einkaufen geht, dem müsste klar sein, dass jeder seiner Schritte mit Hilfe der auf dem eigenen Computer gespeicherten Cookies genauestens aufgezeichnet und analysiert wird. Beim nächsten Besuch wird man mit vollem Namen und einigen Produktvorschlägen begrüßt, für die man sich interessieren könnte. Die wenigsten Surfer haben ein Problem damit. Online-Überwachung hört, schmeckt, riecht und sieht man nicht, die teuren Kameras an den Zimmerdecken hingegen schon. Sobald Einzelhändler exakt dieselbe Auswertung des Konsumverhaltens auf ihre Geschäfte übertragen, reagieren viele Kunden genervt.

So geschehen bei der amerikanischen Kaufhauskette Nordstrom. Nachdem sich die Beschwerden häuften, wurden die Kameras im Mai dieses Jahres wieder abgebaut. Dabei wurde lediglich am Eingang auf das intelligente Überwachungssystem hingewiesen. Die Kameras begleiten dabei jeden Schritt der Kunden. Im Gegensatz zum Web können sie erkennen, welchen Gesichtsausdruck die Kaufinteressenten haben. Wirken sie beim Prüfen der Ware zufrieden? Bleiben sie an bestimmten Ständen zu kurz stehen? Sollte man die Produkte lieber woanders platzieren, um die maximale Aufmerksamkeit zu generieren? Wer geht gezielt einkaufen, wer will sich nur umschauen? Erkannt wird auch, ob es sich bei den Besuchern um Frauen, Männer, Kinder oder Erwachsene handelt.

MAC-Adresse beim Einzelhändler verrät den Kunden

Wie die New York Times Mitte Juli berichtete, können die Kunden sogar anhand der MAC-Adresse ihres Smartphones eindeutig zugeordnet werden. Registriert sich der Benutzer über die firmeneigene App, ist auch der Name und die Adresse bekannt. Der Erstellung langfristiger Kundenprofile steht dann nichts mehr im Weg. Spricht man die Käufer über Monitore einzeln an, könnte man beispielsweise an einem Freitagabend einem ärgerlich wirkenden 30-Jährigen eine neue Playboy-Ausgabe oder eine hochpreisige Whiskey-Marke anbieten. Eine andere Option wäre es, angemeldeten Nutzern direkt beim Betreten des Shops per SMS die neuesten Angebote für die Produkte zukommen zu lassen, die sie sich schon einmal angesehen haben. Individueller und effektiver kann Werbung nicht aussehen.

In Deutschland noch nicht denkbar!

Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels e.V. (BTE) hält eine zeitnahe Einführung dieser Technik für unrealistisch. Im Gegensatz zu den USA müssen sich deutsche Händler an strenge Datenschutzgesetze halten. Auch glaubt der BTE-Geschäftsführer, hierzulande würde die Überwachung binnen kürzester Zeit für massive Proteste sorgen. Zudem müsse man überprüfen, ob sich der zusätzliche Aufwand bei der Auswertung der vielen Daten überhaupt rechnet. Augustin glaubt, erfahrene Händler brauchen keinen Computer. Sie kennen die Bedürfnisse und Vorlieben ihrer Stammkunden auswendig. Wer sein Handwerk versteht, ist auf keine technischen Tricks angewiesen.

RFID-Chips werden auch hierzulande verwendet

Anders sieht es bei RFID-Chips aus, die bereits zur Diebstahlsicherung und zu logistischen Zwecken eingesetzt werden. Laut der bereits gültigen EU-Selbstverpflichtung müssen alle Händler die RFID-Chips beim Kauf der Ware neutralisieren. Dadurch verlieren sie ihre Funktion. Den Reiz die Chips später noch auslesen zu können, kann aber wahrscheinlich keine EU-Richtlinie schmälern.

Wie der MDR berichtet, muss man zur Vermeidung der technischen Identifikation neben der WLAN-Funktion des Smartphones auch Bluetooth abschalten. Zumindest in den USA wäre das sehr ratsam. Wenn man die Bewegungsdaten mit der Gesichtserkennung der Videoüberwachung und der Bankverbindung beim Bezahlen an der Kasse verknüpft, wäre die lückenlosen Überwachung perfekt. Die Umsetzung der Technik in Europa wäre jederzeit möglich. Aufgrund unserer Rechtslage ist aber ein Big Brother, der einen wie im Internet von A bis Z beim Einkauf begleitet, bis auf weiteres unmöglich.

Fotos: Das Fraunhofer-Institut präsentierte auf der der CeBIT 2010 intelligente Kamerasysteme, die den Gemütszustand der aufgenommenen Personen auswerten können. Daneben wird das Alter und Geschlecht geschätzt.

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